Problem im Stadtbild

Am 14. Oktober 2025, anlässlich seines Antrittsbesuchs als Bundeskanzler in Brandenburg, erklärte Friedrich Merz: „… aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem, und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen.“

Problem im Stadtbild
Quelle: Sora

Bundespresseamt
Dorotheenstraße 84
10117 Berlin

16.10.2025

Beschwerde über rassistische Äußerung des Bundeskanzlers Friedrich Merz bei Pressekonferenz in Potsdam

Sehr geehrte Damen und Herren,

im Rahmen einer Pressekonferenz in Potsdam äußerte Bundeskanzler Friedrich Merz am 14. Oktober 2025 den folgenden Satz:

„Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen.“

Diese Aussage, die in zahlreichen Medien (u. a. Tagesspiegel, https://www.tagesspiegel.de/politik/migranten-im-stadtbild–ein-problem-merz-macht-den-soder-vorsichtshalber-14574341.html) dokumentiert wurde, stellt nach meinem Verständnis eine rassistische und menschenverachtende Verknüpfung her: Menschen mit erkennbar ausländischem Erscheinungsbild werden als „Problem“ im Stadtbild bezeichnet, das durch „Rückführungen in großem Umfang“ zu „lösen“ sei.

Eine solche Rhetorik widerspricht dem Geist des Grundgesetzes, insbesondere Artikel 1 („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) und Artikel 3 („Niemand darf wegen seiner Herkunft oder seiner Rasse benachteiligt oder bevorzugt werden“).

Ich halte es für dringend geboten, dass sich die Bundesregierung von dieser Wortwahl distanziert und eine Klarstellung des Bundeskanzlers erfolgt.

Ich bitte Sie um eine offizielle Stellungnahme des Bundespresseamts bzw. des Bundeskanzlers zu dieser Aussage und darüber, wie die Bundesregierung sicherstellen will, dass öffentliche Äußerungen ihrer Vertreter nicht zur gesellschaftlichen Spaltung und Entmenschlichung beitragen.

Mit freundlichen Grüßen

Günther Klebinger

Günther Klebinger
Würzburg

Bonn, 21.10.25

Betreff: Ihr Schreiben vom 16.10.25

Sehr geehrter Herr Klebinger,

vielen Dank für Ihr Schreiben.

Sie haben den Bürgerservice des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung (BPA) erreicht. Der Regierungssprecher, Herr Stefan Komelius, hat sich in der Regierungspressekonferenz am 15. Oktober 2025 folgendermaßen geäußert: ,,Ich glaube, da interpretieren Sie zu viel hinein. Der Bundeskanzler hat sich zu dem geänderten Kurs in der Migrationspolitik der neuen Bundesregierung geäußert – übrigens in seiner Funktion als Parteivorsitzender, was er auch explizit so kenntlich gemacht hat. Er hat immer klar gemacht, dass es sich bei der Migrationspolitik in seinen Augen nicht um Ausgrenzung handeln darf; sondern um eine einheitlich geregelte Zuwanderung. Sie wissen, dass die Bundesregierung in der Migrationspolitik auf Steuerung und Begrenzung setzt und gleichzeitig immer festgestellt hat, dass jeder, der Schutz braucht, diesen Schutz auch bekommt. ( … )

Ich glaube nicht, dass der Bundeskanzler ein Problem mit dem Stadtbild hat.( … ) Im Netz werden sehr viele Vorwürfe erhoben, aber ich glaube nicht, dass man dem Bundeskanzler in diesem Zusammenhang Rassismus vorwerfen kann.“

Den vollständigen Wortlaut der Regierungspressekonferenz finden Sie hier: https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regierungspressekonferenz-vom-15-oktober-2025-2389412

Mit freundlichen Grüßen

im Auftrag

IP

Bundespresseamt
Dorotheenstraße 84
10117 Berlin

24.10.2025

Ihre Antwort vom 21. Oktober 2025 – Distanzierung von der Verantwortung des Bundeskanzlers für seine öffentlichen Äußerungen

Sehr geehrte Frau P, sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre Antwort vom 21. Oktober 2025.

Mit allem gebotenen Respekt möchte ich anmerken, dass die in Ihrer Stellungnahme verwendete Begründung – der Bundeskanzler habe die fragliche Äußerung „in seiner Funktion als Parteivorsitzender“ gemacht – mich inhaltlich nicht im Geringsten überzeugt.

Diese Trennung mag formal konstruierbar sein, entbehrt aber jeder praktischen Glaubwürdigkeit, wenn sie auf einer öffentlichen Pressekonferenz mit Regierungsbezug geäußert und anschließend von der Bundesregierung selbst in einer Regierungspressekonferenz kommentiert und verteidigt wird. Wenn der Regierungssprecher die Aussage rechtfertigt, spricht er im Namen der Bundesregierung. Damit ist die Behauptung, der Bundeskanzler habe als bloßer Parteivorsitzender gesprochen, nicht mehr haltbar.

Diese Rollenflucht erinnert an die jüngste Argumentation der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, die ihren Retweet des Satzes „Merz macht Dunja Hayali fertig“ damit rechtfertigte, sie habe dies „nicht als Bundestagspräsidentin“ getan.

Solche Ausweichmanöver sind geeignet, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Integrität öffentlicher Ämter zu untergraben. Man fühlt sich – mit Verlaub – für dumm verkauft. Politische Verantwortung ist keine Weste, die man je nach Anlass ab- und wieder anziehen kann. Wenn der Bundeskanzler öffentlich spricht, spricht er stets auch als Repräsentant dieses Landes – mit all der Wirkung, die seine Worte auf das gesellschaftliche Klima haben.

Das gilt umso mehr, wenn eine Aussage, wie im vorliegenden Fall, eine Gruppe von Menschen indirekt als „Problem“ bezeichnet und damit diskriminierende Narrative befeuert.

Ich bitte Sie daher nochmals um eine klare inhaltliche Positionierung:
Erkennt die Bundesregierung an, dass die Formulierung des Bundeskanzlers problematisch und missverständlich war – oder hält sie diese Wortwahl inhaltlich für unbedenklich?

Mit freundlichen Grüßen

Günther Klebinger

Günther Klebinger
Würzburg

Bonn, 04.11.25

Betreff: Ihr Schreiben vom 24.10.25

Sehr geehrter Herr Klebinger,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung.

Bundeskanzler Merz sprach in seinem Pressestatement nach dem Berlin Prozess-Gipfeltreffen in London am 22. Oktober 2025 das Thema Einwanderung und illegale Migration an.

Kanzler Merz sagte: ,,Ja, wir brauchen auch in Zukunft Einwanderung. Das gilt ebenso für Deutschland wie für alle Länder der Europäischen Union. Wir brauchen sie auch und vor allem für unsere Arbeitsmärkte. Denn schon heute sind viele Menschen mit Migrationshintergrund, wie wir es ausdrücken, unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes. Sie arbeiten in Deutschland; sie leben in Deutschland. Sie arbeiten in Pflegeheimen und in Universitäten. Wir können auf sie gar nicht mehrverzichten, ganz gleich, woher sie kommen, welcher Hautfarbe sie sind und ob sie erst in erster oder schon in zweiter, dritter oder vierter Generation in Deutschland leben und arbeiten. Die meisten von ihnen sind auch schon Staatsbürger unserer Länder. Das gilt auch für Deutschland.

Probleme machen uns diejenigen – auch das ist heute ein Thema gewesen- die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben, nicht arbeiten und sich auch nicht an unsere Regeln halten. Viele von ihnen bestimmen auch das öffentliche Bild in unseren Städten. Deshalb haben mittlerweile so viele Menschen in Deutschland und in anderen Ländern der Europäischen Union – das gilt nicht nur für Deutschland – einfach Angst. sich im öffentlichen Raum zu bewegen. Das betrifft Bahnhöfe, U-Bahnen, bestimmte Parkanlagen, und es bestimmt ganze Stadtteile, die auch unserer Polizei große Probleme bereiten. Die Ursachen dieser Probleme müssen wir lösen. Wir müssen und können sie auch nur gemeinsam in Europa lösen, auch um das Vertrauen der Bevölkerung in unseren Rechtsstaat dort wieder herzustellen und zurückzugewinnen, wo es uns in den letzten Jahren verloren gegangen ist. Deswegen werden wir auch morgen in Brüssel noch einmal über die gemeinsame europäische Einwanderungs- und Asylpolitik sprechen. Das ist eine Arbeit, die wir gemeinsam leisten müssen, die aber auch nationale Anstrengungen erfordert. Das alles ist nicht immer einfach. Das Treffen heute hier in London zeigt, dass noch eine ziemlich lange Wegstrecke vor uns liegt“

Die vollständige Mitschrift des Statements finden Sie unter folgendem Link: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressestatementkanzler-berlin-process-2390570

Regierungssprecher Stefan Kornelius hat sich in der Regierungspressekonferenz vom 20. Oktober 2025 zum Thema Stadtbild geäußert.

Den vollständigen Wortlaut der Regierungspressekonferenz vom 20. Oktober 2025 finden Sie hier: https://www.bundesregierung.de/bregde/suche/regierungspressekonf erenz-vom-20-oktober-2025-2390030

Mit freundlichen Grüßen

im Auftrag

IP

Bundespresseamt
Dorotheenstraße 84
10117 Berlin

08.11.2025

Ihre Antwort vom 4. November 2025 – fehlende inhaltliche Auseinandersetzung mit der Äußerung des Bundeskanzlers

Sehr geehrte Frau P, sehr geehrte Damen und Herren,

vielen Dank für Ihre erneute Antwort vom 4. November 2025.

Ich möchte offen anmerken, dass Ihr Schreiben den Eindruck erweckt, als wolle das Bundespresseamt eine kritische Nachfrage durch eine Linksammlung ersetzen. Die Wiederholung und wörtliche Wiedergabe eines späteren Statements des Bundeskanzlers – diesmal in London und unter gänzlich anderem Kontext – ist keine Antwort auf meine Beschwerde, sondern der Versuch, eine politische Irritation nachträglich kommunikativ zu glätten.

Ich hatte ausdrücklich um eine inhaltliche Bewertung der ursprünglichen Äußerung vom 14. Oktober 2025 gebeten, in der der Bundeskanzler das „Stadtbild“ in Verbindung mit einem „Problem“ und „Rückführungen in großem Umfang“ brachte. Diese Formulierung war und bleibt diskriminierend – unabhängig davon, ob Herr Merz später in London eine vorbereitete Lesefassung über „Pflegeheime und Universitäten“ vorträgt.

Die beleidigende Botschaft lag nicht im fehlenden Lob für Pflegekräfte, sondern in der sprachlichen Reduktion von Menschen auf ihr bloßes Erscheinungsbild. Das bleibt auch dann eine Beleidigung, wenn jene Menschen Steuern zahlen, arbeiten, integriert sind – oder selbst dann, wenn sie es nicht tun.

Ihre Antwort vermeidet jede inhaltliche Haltung. Sie bestätigt damit unfreiwillig genau den Punkt, um den es mir ging: dass die Bundesregierung auf Diskriminierung in der politischen Sprache nicht reagiert, sondern wegverweist.

Ich erwarte keine PR-Verweise mehr, sondern eine klare politische oder moralische Einordnung: Hält die Bundesregierung die Formulierung „Problem im Stadtbild“ weiterhin für akzeptabel – oder erkennt sie an, dass diese Wortwahl Menschen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbilds abwertet?

Mit freundlichen Grüßen

Günther Klebinger

Bis dato erreichte mich keine weitere Antwort.

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